Glaube

Was ist nur aus sozialen Medien geworden?

5. Juli 2021

In den letzten Jahren hat sich die gesamte Landschaft rund um die sozialen Netzwerke sehr stark verändert bzw. gewandelt. Wer erinnert sich noch an StudiVZ Anfang der 2000 Jahre? Von der Idee, die StudiVZ und auch Facebook damals hatten, ist heute gar nichts mehr zu erkennen. Mich persönlich stört dieser Umstand enorm und ich muss immer wieder schmerzlich feststellen und zugeben: ich bin ein Teil davon.

Ich erinnere mich noch gut an den Moment, als ich damals, es war ca. 2005, das erste Mal von StudiVZ gehört hatte und mir daraufhin gleich einen eigenen Account erstellt habe. Es war ein fast magischer Moment, sich sozusagen mit all seinen Freunden virtuell zu verbinden und darüber hinaus noch mit einigen Leuten mehr verbunden zu sein, die man, wenn überhaupt, nur flüchtig kennt. Der Coole aus der 13. Klasse, die Hübsche aus der Parallelklasse, irgendwie war es ein gutes Gefühl mit ganz vielen im Internet befreundet zu sein, auch, wenn sich dadurch im wahren Leben nicht viel an der Beziehung veränderte und sie unerreichbar blieben. Allein aber die Möglichkeit, mit Gott und der Welt in Verbindung treten zu können, war etwas derart Neues, dass es sich einfach gut anfühlte.

Das beste aber an der ganzen Sache rund um StudiVZ – und später dann Facebook – war die Tatsache, dass man auf den Profilen der anderen vieles über sie herausfinde und Fotos anschauen konnte, was im wahren Leben so niemals gegangen wäre. Das war ja auch eine der Grundideen, die in den USA zur Gründung von Facebook führte und das „herumstalken“ auf anderen Profilen, wie man es bei uns nannte, wurde für viele zu einem beliebten Hobby.

Nichts ist mehr wie es einmal war

Wenn ich mir so ansehe, was aus den sozialen Medien und ganz speziell aus Facebook heute geworden ist, dann hat sich bis auf die Tatsache, dass ich immer und jederzeit mit meinen Freunden und mit allen möglichen Bekannten aus der ganzen Welt verbunden bin, alles verändert. Auf anderen Profilen stöbern wir zwar immer noch herzlich gerne herum, aber die gesamte Landschaft der sozialen Medien hat sich von einem magischen Meer des Verbundenseins hin zu einem Sumpf voller Selbstsucht, unterschiedlichster Ideologien und Glaubensvorstellungen entwickelt. Und aus Gesprächen mit vielen Kumpels weiß ich, dass es nicht nur meine Wahrnehmung ist, sondern es vielen ähnlich ergeht wie mir.

Da sind die Selbstdarsteller, die Sprücheklopfer, die Verschwörungstheoretiker, die Utopisten, Träumer, Gläubige, Provokateure, Fundamentalisten, Rassisten, Menschenhasser, Weltverbesserer… und mittendrin: ich.

Was mache ich da eigentlich, wenn ich jeden Tag auf Facebook, Instagram und Co herumscrolle, mich über selbstverliebte Posts und dämliche Kommentare aufrege und mittlerweile mehr User blockiere, als neue zu abbonieren? Ich glaube, es ist die Tatsache, dass hinter all dem eine großartige Idee steckt, die in den Anfängen der sozialen Netzwerke noch erkennbar war, mittlerweile aber völlig in den Hintergrund getreten ist: in Verbindung mit den Menschen zu sein. In Verbindung mit den engen Freunden und mit vielen anderen, die ich irgendwann mal irgendwo kennengelernt habe und mit ihnen anders als über das Internet wohl nicht mehr verbunden bleiben werde.

Heute stelle ich fest, dass aus dieser digitalen Welt ungeahnter Möglichkeiten eine Parallelwelt entstanden ist, die nur noch sehr wenig mit der realen Welt zu tun hat, in der ich mich tagtäglich bewege, wenn ich mich nicht aus lauter Langeweile meinem Handy hingebe und nach Unterhaltung oder Ablenkung suche. Wenn man nämlich genau hinschaut, dann zeichnet keine der sozialen Plattformen auch nur ansatzweise mehr ein Bild davon, wie wir Menschen wirklich leben, wie unsere Gesellschaft tickt und was uns wirklich bewegt.

Die Pride-Bewegung ist ein gutes Beispiel für die verschiedenen Welten

Ich mache ein aktuelles Beispiel dafür, wie wir in den sozialen Medien uns allen etwas vormachen und ein Bild von der Realität abbilden, die es so gar nicht gibt: während der EM entzündet sich in ganz Europa in Form einer Regenbogenfahne die Frage danach, wie plural und unterschiedlich eine Gesellschaft sein darf und sein sollte und die sozialen Netzwerke geben in Form von Kommentaren, bunten Profilbildern und Regenbogenpostings eine ganz klare Haltung wieder, die die europäische Idee eines vereinten Europas oder auch einer vereinten Welt als Botschaft an diejenigen sendet, die die Zukunft ihres Landes darin sehen, sich gegen alle modernen Einflüsse abzuschotten, das notfalls auch mit unlauteren Mitteln. Ich für meinen Teil sehe plötzlich nur noch Regenbögen auf Facebook und Co. und freue mich über so viele „Gleichgesinnte“, die etwas gegen Rassismus, Homofeindlichkeit und Rückschritt zum Kleinstaatentum unternehmen, indem sie Flagge bekennen. Rund um die Fußball-EM wird die Idee von einer pluralen und toleranten Gesellschaft so hart abgefeiert, dass wir für die Realität völlig blind sind. Was passiert tagtäglich an den Stränden des Mittelmeeres? Ist es nicht auch eine Form von Rassismus, als Kontinent Menschen anderer Länder und Kulturen ersaufen zu lassen? In Punkto sozialen Medien sind wir alle ultratolerant, aber in der Wirklichkeit, die für mich weit mit unseren bunten Profilbildern auseinanderklafft, haben wir noch unheimlich Nachholbedarf. Und noch mehr: die verdammte Pflicht zu handeln!

Ich finde es gut, wenn wir öffentlich Flagge bekennen, indem wir unsere Profilbilder bunt einfärben, über die vielen Fahnen vor und in den Stadien berichten und die UEFA oder Staatspräsidenten für ihren Kleingeist kritisieren. Aber das Problem ist nicht die UEFA oder irgendein Separatist, das Problem ist unsere gesamte kapitalistische Gesellschaft, die kein bißchen von ihrem Reichtum und ihrer Gier nach stetigem Wachstum abrücken möchte und so auf vielelerlei Weise Menschen diskriminiert. Oder ist es nicht auch eine Art versteckter Rassismus, wenn wir versuchen, einen Wandel in Themen wie Nachhaltigkeit und Energiewende herbeizuführen, dabei aber völlig außer Acht lassen, wie sehr manche ärmeren Länder unter diesem vermeintlichen Wandel leiden müssen und wir im Konsumwahn ganze Landstriche ausbeuten und verwüsten? Das Symbol des Regenbogens ist nur ein Beispiel dafür, wie verlogen die ganze Welt sozialer Medien geworden ist und ich würde mir wünschen, dass es sich wieder in eine andere Richtung umkehrt.

Nämlich weniger Selbstsucht und Selbstdarstellerei, weniger Meinungsmache und Anfeindungen, sondern mehr Ehrlichkeit und Authentizität.

Um damit mal anzufangen und nicht zu moralisch zu sein, möchte ich ganz ehrlich zugeben, dass ich mir wünschen würde, es würden mehr Leute meine Posts liken und so manches Mal habe ich auch schon darüber nachgedacht, Geld dafür zu zahlen, damit mein Blog mehr Reichweite erlangt und bekannter wird. Dann merke ich aber, wie sehr ich diese Form der Selbstdarstellung ablehne. Ich werde als PAPIonSOUL weiterhin in aller Demut versuchen, nicht mich, sondern meine Welt so darzustellen, wie sie wirklich ist und vor allem die Botschaft, welche die Bibel uns verkündet, in unsere heutige Sprache zu übersetzen, ohne mich wichtiger zu nehmen, als ich es in Wirklichkeit bin.

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1 Comment

  • Antworten Sasi 9. Juli 2021 at 22:10

    Auch wenn ich sicher nicht ganz unbefangen bin 🙂 Ich liebe deine Art den Schleier zu heben und hinter die Fassade zu blicken. Die Wahrheit ist eben still und kann nur hinter den Dingen erkannt werden!

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