Glaube

Gemeine, ganz gemeine Werte

8. März 2020

Ob Fußballer oder Golfer, Spießer oder Hedonisten, Christen oder Atheisten, wir alle haben dieselben Werte und die gleichen Vorstellungen von einem guten Zusammenleben. 

Wie komme ich denn auf so eine steile These, fragst du dich? Es gibt Menschen in unserem Land, die scheinen in ihrem Denkmuster und Weltbild momentan mächtig durchzudrehen und mit denen soll ich gemeinsame Werte haben? Es stimmt zwar, dass es sich manchmal so anfühlt, als hätten wir einen totalen Werteverfall und als ob wir einer völlig wertfreien Zeit entgegensteuern. Das ist aber nur ein Gefühl, denn die Realität sieht ganz anders aus. Wenn man in unterschiedliche Schulklassen geht, in denen ja bekanntlich junge Menschen aus ganz verschiedenen sozialen Schichten zusammenkommen, und sich gemeinsam mit den Jugendlichen die Frage nach den wichtgsten Werten im Leben stellt, dann gibt es immer eine Schnittmenge unter den Top 10 der Dinge, die im Leben als ganz besonders angesehen werden:

  • Familie
  • Gesundheit
  • Respekt
  • Freiheit
  • Vertrauen
  • Freundschaft
  • Gerechtigkeit
  • Toleranz
  • Spaß
  • Zusammenhalt/Treue

Die spannende Frage ist: Was macht mich eigentlich aus?

Diese zehn Stichworte sind meiner Erfahrung nach die Werte, die uns gesellschaftsübergreifend allen am Herzen liegen. Wenn man mal in verschiedenen Milieus unterwegs ist, dann merkt man, dass es fast immer dieselben Dinge sind, von denen wir sagen, dass sie für unser Leben wertvoll sind. Und genau diese Dinge brauchen wir als Menschen, denn sie machen uns aus. Wir alle stellen uns in ruhigen oder auch stürmischen Zeiten immer wieder die Frage, was das Leben besonders wertvoll macht? Was macht mich eigentlich aus? Wie möchte ich leben und was ist mir wichtig? Die oben genannten Werte sind, so würde ich sagen, die großen Klassiker der Menschheitsgeschichte. Das sind sie aber gerade deshalb, weil sie in unserer DNA verwurzelt sind und wir irgendwie spüren, dass wir diese Dinge zu einem glücklichen Leben benötigen und sie uns notfalls auch erstreiten und erkämpfen müssen. Es wäre eine wissenschaftliche Forschungsreihe wert, zu vergleichen, wie sich diese Werte weltweit in den Verfassungen und Grundgesetzen der einzelnen Länder wiederfinden, nicht nur in den westlichen Kulturkreisen.

Warum, so frage ich mich aber nun, schaffen wir es ganz offensichtlich nicht, einen gemeinsamen Weg auf Grundlage unserer gemeinsamen Vorstellungen eines guten Lebens zu finden? Warum ist unser Land so gespalten in sozialen und politischen Themen? Warum sind die Länder Europas so krass gespalten, was sich seit Jahren in Sachen Brexit und unserem Umgang mit Flüchtlingen widerspiegelt? Es ist ja ganz offensichtlich, dass uns gemeinsame Werte fehlen oder abhanden gekommen sind, die wir bei der Gründung der Bundesrepublik oder auch bei der Gründung der EU als besonders schützenswert festgehalten haben. Das Problem sehe ich persönlich darin, dass wir Werte haben, von denen wir wissen, dass sie uns gut stehen und dass wir ebenso Werte haben, die uns definieren.

Werte, die uns definieren vs Werte, die uns gut stehen

Werte, die uns und unserer Gesellschaft gut stehen, das sind genau die Dinge, die oben in der Liste aufgeführt sind. Für ein glückliches Leben wünschen wir uns Gerechtigkeit, Freiheit, Gesundheit etc. Genau diese Werte legen wir unserer Gesellschaft zugrunde, möchten danach leben und fordern sie von anderen Menschen ein. Nun schaffen wir es aber leider nicht immer, diese Werte auch wirklich für uns selber umzusetzen und daher bleiben sie oft fromme Wünsche und eben nur Werte, die uns eigentlich ganz gut stehen würden. Man könnte sagen, es sind gemeine Werte, was soviel heißt wie gemeinsame Werte, weil sie uns durch Gott in unsere DNA geschrieben sind. Wie Lebensweisheiten, die niemand erst erfinden musste, weil sie schon immer da waren. Gott ist für mich der, der uns solche Weisheiten schon vor der Geburt hinter die Ohren schreibt. Anders kann ich es mir nicht erklären, dass es solche immateriellen Dinge gibt, von denen wir damals wie heute wissen, dass sie grundlegend für jede Gemeinschaft sind.  

Auf der anderen Seite wiederum sind dieselben Werte auch gemein, also im Sinne von fies, da es oft ganz schön schwierig ist, sie genau so zu leben, wie wir sie von anderen einfordern. Es sind die Maxime, die wir gerne erreichen würden, es aber einfach nicht komplett schaffen.

Was die ganze Sache noch um einiges schwieriger macht, ist die Tatsache, dass es neben diesen Werten, die für mich so etwas wie göttliche Weisheiten sind, noch viele weitere Werte gibt, die uns lenken und leiten, aber nicht immer ganz so gut tun. Jede/r von uns hat solche persönlichen Werte, wie z.B. Mode, Wohlstand, Erfolg, Ansehen, von denen wir öffentlich eher weniger zugeben möchten, dass sie unseren Alltag bestimmen, weil uns andere Werte wie Bescheidenheit, Ehrlichkeit oder auch Respekt besser stehen und sich besser anfühlen. Sie beeinflussen uns aber enorm und machen es uns ungemein schwer, die gemeinen Werte hochzuhalten.

Ich nehme mal als Beispiel Wohlstand und Gerechtigkeit. Klar möchten wir alle mit unseren Familien in Wohlstand leben, aber wie sieht es dann mit der Gerechtigkeit aus, wenn andere Menschen so viel weniger zum Leben haben als wir und dringend unsere Hilfe benötigen? Zu welchen Mitteln und Handlungen bin ich bereit, wenn ich das Gefühl habe, dass mein Wohlstand gefährdet wird? Wie sieht es dann mit dem Respekt vor dem Leben anderer aus, wenn ich das Gefühl habe, genau diese Anderen könnten mir etwas wegnehmen, was mir eigentlich zusteht? Gerechtigkeit ist wichtig, aber was, wenn ich meinen Wohlstand gefährdet sehe? Oder nehmen wir als weiteres Beispiel noch die Werte Respekt und Ansehen: Anderen gegenüber möchten wir stets respektvoll gegenüber treten, würden vermutlich auch von uns behaupten, dass wir es anderen gegenüber sind. Und Respekt fordern wir zurecht auch von anderen ein. Aber was ist, wenn jemand mich beleidigt und ich mein Ansehen, mein Image gefährdet sehe? Was wiegt dann mehr, der Respekt oder das Ansehen? Und wieso Beuten wir eigentlich so viele Arbeiter/innen in ärmeren Ländern aus, um billig schöne Klamotten kaufen zu können? Wenn es um Mode und Geld geht, dann verschwindet die Gerechtigkeit oder der Respekt vor anderen Menschen schon mal schnell aus der Liste unserer wichtigsten Werte.

Wichtig ist, sich zu hinterfragen, welche Werte das eigene Denken und Handeln beeinflussen.

Aufgrund dieser Überlegungen ist es für mich gar nicht verwunderlich, dass wir es sowohl in Deutschland, als auch in Europa einfach nicht schaffen unsere gemeinen Werte auch wirklich in die Tat umzusetzen und es einfach nicht gebacken kriegen, uns auf einen humanitären Umgang mit Flüchtlingen zu einigen. Vielleicht ist es ja ein Lösungsansatz, dass wir alle versuchen erst einmal für uns selbst wahrzunehmen, welches die Werte sind, nach denen wir gerne leben würden und welches die Werte, nach denen wir tagtäglich leben und streben. Dazu müssen wir zunächst auf uns selber schauen und nicht so sehr auf Andere. Wenn wir es schaffen würden, alle erst einmal bei uns selbst zu beginnen, dann wären wir, so glaube ich, auch im Stande, zu diskutieren und gemeinsame Lösungen zu suchen, ohne uns immer gleich an die Gurgel springen zu müssen.

Das könnte Dir auch gefallen

No Comments

Leave a Reply