Manche haben Corona und manche haben ganz normale Grippe oder Schnupfen. Manche haben Angst und manche bleiben völlig gelassen. Was wir aber Alle in den kommenden Wochen haben werden ist: Zeit.
Aufgrund eines Grippevirus, der die ganze Welt in Atem hält, verordnet uns der Staat eine Art Hausarrest in bislang unbekanntem Maße. Was ist denn da los? Ein totaler Ausnahmezustand auf unbestimmte Zeit und sogar Kindergärten und Schulen sind nun geschlossen. „Völlig übertrieben“ sagen die Einen, „eine richtige und notwendige Maßnahme“ die Anderen. Man kann davon halten was man will. Fakt ist: Das öffentliche Leben und so gut wie alle Freizeitaktivitäten kommen in den nächsten Wochen komplett zum Erliegen. Es steht uns auch in wirtschaftlicher Hinsicht eine nicht ganz leichte Zeit bevor. Was wir aber nun alle geschenkt bekommen ist Zeit. Zeit, die ansonsten schon mit allem möglichen verplant gewesen wäre und uns aufgrund des „Hausarrestes“ wieder geschenkt wird. Zeit, die wir uns so oft herbeisehnen, um Dinge zu tun, für die uns sonst „die Zeit fehlt“. Nur was mit der ganzen Zeit anfangen? Während es die einen freut, endlich eine Legitimation fürs Nichtstun zu haben, graut es andere schon mächtig vor der drohenden Einöde der kommenden Wochen.
Zeit zu haben ist Segen und Fluch zugleich
Wer wünscht es sich in ganz turbulenten Zeiten des Jahres nicht auch immer mal wieder, einfach mal aus den Mühlen des Alltags aussteigen zu können und Zeit für andere Dinge zu haben? Jetzt ist es soweit, wir werden in den kommenden Wochen unheimlich viel Gelegenheit bekommen das zu tun, wozu wir sonst im Alltag viel zu wenig Zeit finden. Das hört sich erst einmal an wie ein Segen, kann aber schnell zum Fluch werden. Denn die Fähigkeit mal einen Gang runterzuschalten und nichts zu tun ist nicht allen Menschen in unserem Land in die Wiege gelegt. Manche bekommen schon beim Gedanken an langsame Zeiten ganz unruhige Füße und sehen beim Gedanken, viel zu Hause zu sein schon jetzt die Decke über dem Kopf zusammenbrechen. Für Familien wird die unerwartet geschenkte Zeit auch erst einmal zur Herausforderung, da die Kinder plötzlich zu Hause sind und sich relativ bald schon das erste Mal so richtig auf die Nerven gehen werden. Vielerorts werden schon nach einer Woche alle Nerven richtig blank liegen, das ist die Realität in unserem Land und das ist auch völlig normal. Ich gehöre auch eher zu dieser Kategorie.
Es soll aber auch viele Menschen geben, die mit der Situation keine großen Probleme haben werden. Das sind diejenigen, die auch sonst das Jahr über ihr eigenes zu Hause gerne mal zur Festung machen und sich auf dem eigenen Sofa verschanzen. Die Chiller und Faulenzer oder die Nerds hinter den Bildschirmen scheinen doch nur darauf gewartet zu haben, ihre ausgebauten Fähigkeiten endlich einsetzen zu können: nämlich über sehr lange Zeit hinweg einfach mal die Füße still zu halten. Der Pantoffelheld wird zur neuen Stilikone des pflichtbewussten Bürgers, der bereit ist, im Kampf gegen das Virus Entbehrungen und Repressalien jeglicher Art zu erdulden.
Die Frage ist, wie kriegen wir wieder Ordnung ins Chaos?
Über die Tatsache, mehr Zeit mit den Kindern verbringen zu können, sollte man sich doch eigentlich freuen. Aber wenn unser Sohn mal ein paar Tage hintereinander nicht in die Kita kann, dann verwandelt sich unser Haus schon mal ganz schnell in ein Irrenhaus, wo wir als Eltern irgendwann nicht mehr wissen, was wir mit einem so gelangweilten und quängelnden Kind noch alles anstellen sollen. Man denkt dann bei sich: „Das ist ja ganz schön peinlich, beschäftige dich doch mit deinem Kind. Du musst ihm halt einfach etwas bieten, dass er nicht so schnell schlechte Laune bekommt.“ Alle, die auch Kinder zu Hause haben wissen aber, das ist gar nicht so einfach. Denn es geht grundsätzlich nicht darum, dass man nicht im Stande sei, sich mit seinen Kindern zu beschäftigen und ihnen Unterhaltung zu bieten, sondern darum, dass ein ganz bestimmter Tages- und Wochenablauf unterbrochen wurde. Ein geregelter Ablauf ist ganz wichtig für Kinder und für Eltern und wenn dieser durchbrochen wird, dann beginnen die Emotionen und Launen aller Beteiligten schnell verrückt zu spielen. Dann müssen alle an einem Strang ziehen, um eine gewisse Ordnung im neu entstandenen Chaos wieder herzustellen. Meine Frau und ich sind gerade noch am überlegen, wie wir die Zeit ohne Kita gestalten sollen, ohne dass Papi einen Dachschaden bekommt. Ich denke anderen Familien wird es ganz ähnlich ergehen.
Auch wer keine Kinder hat findet nun in der kommenden Zeit eine ganz komische Situation vor. Was darf ich eigentlich noch tun und was nicht mehr? Wo darf ich überhaupt noch hin? Wobei es da sicherlich von den örtlichen Gepflogenheiten her sehr unterschiedlich sein kann, wie mit der Situation umgegangen wird. In den einen Gegenden des Landes kommt das öffentliche Leben jetzt wirklich zum Erliegen, an anderen Orten lassen sich die Menschen die sozialen Kontakte nicht verbieten, da bin ich mir sicher.
Es gibt die wundervollsten Möglichkeiten für uns alle, die geschenkte Zeit sinnvoll zu nutzen. Wichtig ist nur – und da spreche ich aus eigener Erfahrung – dass man sich gut überlegt, wie man mit der geschenkten Zeit umgehen will, bevor die Kinder toben, die eigenen Emotionen hochgekocht sind oder bevor einem die Decke schon auf den Kopf gefallen ist. Romantische Vorstellungen beiseite, von wegen jetzt endlich habe ich Zeit für alles und realistische Planungen herbei: was will ich tun, was kann ich tun und welche Struktur gebe ich der geschenkten Zeit?
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